Ende Januar 2017 besuchten wir ein neues Projekt des Lemonaid & ChariTea Vereins in Südafrika.

Für diesen Besuch hatten wir eine 9-stündige Autofahrt durch Südafrika hinter uns gebracht. Davon die letzten drei Stunden ohne geteerte Straße inklusive einer Autopanne. Die Organisation Bulungula Incubator, die wir besuchten, ist in der Wild Coast in der Transkaai ansässig. Diese Gegend ist stark geschichtlich geprägt, da sie ein ehemaliges „Homeland“ ist. Das bedeutet, während der Apartheid wurden in dieses Gebiet die ehemals als „coloureds“ klassifizierten und diskriminierten Bevölkerungsgruppen gesendet und sie galt formal als staatlich unabhängig. Am Ende der Apartheid konnte man auch nach der Eingliederung der Transkaai erkennen, dass dort, im Vergleich zum Rest von Südafrika, die Infrastruktur sehr schlecht ausgebaut war. Bis vor wenigen Jahren gab es hier nur wenige Straßen, keine Schulen und keinen Zugang zu Wasser. Bis heute gibt es nur in einigen Teilen Zugang zu Elektrizität, der Zugang zu Wasser ist oftmals nur über eine Sammelstelle mit einem Wasserhahn oder einem Brunnen gegeben.

Doch dieser lange und nicht gerade einfache Anreiseweg zu der Organisation und in die Transkaai ist es wert. Denn die andere Seite der Medaille ist eine paradiesische, unberührte Natur mit anmutigen grünen Hügeln und vielen Tälern dazwischen. Dazu die traditionell-runden, meist Türkis angemalten Häuser der dort lebenden Xhosa-Kultur, die sofort mit ihren Klick-Lauten in ihrer Sprache begeistert.

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Die Wild Coast in der Transkaai. ©Noah Felk

Lange bevor die Organisation gegründet wurde, reiste der Initiator Dave Martin durch die ganze Welt. Er schaute sich viele Länder der Erde an und durchquerte u.a. den afrikanischen Kontinent. Er reiste „off the track“ von den normalen Tourismus Pfaden, lebte in entlegenen Gemeinschaften und lernte viel über andere Kulturen und Traditionen. Nach der Reise war für ihn klar, er wolle nachhaltige und ganzheitlich angesetzte Ökotourismus-Projekte aufbauen, um ländliche Entwicklung voranzutreiben.

Mit diesem Ziel kehrte er in seine Heimat Südafrika zurück und widmete sich der Gegend, die durch die Apartheid vernachlässigt wurde. Er wanderte die ganze Wild Coast von Port Elisabeth bis nach Durban und fand ein altes, nicht mehr genutztes Haus auf einem Hügel – mit einem malerischen Blick auf die Küste, wo sich Meer und Fluss in einer Art Lagune treffen (Siehe Foto oben).

Dort gründete er in 2002 und eröffnete in 2004 die Bulungula Eco-Lodge, die später die erste Fair Trade zertifizierte Lodge der Welt wurde.

Der Strom kommt von Solarzellen, es gibt Kompost- Toiletten und die vielen möglichen Programmpunkte werden jeweils von den Einwohnern der umliegenden Dörfer selbst angeboten und durchgeführt. Eine Kanufahrt den Xhora Fluss hinauf, ein langer Spaziergang am Strand, ein Kochkurs bei den Frauen, Fischen gehen mit den Männern, Feuerholz sammeln oder traditionelles Bier brauen…die Liste der Möglichkeiten ist lang.

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Die Bulungula Lodge. ©Noah Felk

Dave, der ehemals in der IT-Branche u.a. in London tätig war, baute mit seinen Ersparnissen die Lodge auf. Wichtig dabei war ihm von vorne rein, dass die lokale Gemeinschaft aus dem Nqileni Dorf nicht nur partizipiert, sondern Mitbesitzer ist (40%) und damit die volle Mitverantwortung trägt. Zudem plante er immer mit einem „bus crash“ Szenario – weil er sicher stellen wollte, dass das Projekt auch ohne ihn weiter leben könne und ging zusätzlich alle fünf Jahre für ein Jahr ins Ausland.

In der Zwischenzeit spricht Dave die lokale Xhosa-Sprache und lebt mit seiner Frau Rejane Woodroffe, einer Wirtschaftswissenschaftlerin, in der Gemeinschaft integriert. Davon leben könne er nicht, da er allen außer sich selbst Gehälter bei der Bulungula Lodge ausgezahlt hat. Da hilft es, dass seine Frau immer wieder Aufträge erhält, die auch die gemeinsamen Fernreisen der beiden finanzieren.

In 2014 übergab er seine Anteile (60%) an die Gemeinschaft und konnte sich so seiner nächsten Vision widmen: Dem Bulungula Incubator. Zwar schaffte es die Bulungula Lodge erste unabhängige Einkommenstrukturen in die Gemeinschaft zu bringen. Jedoch gab es weitere Herausforderungen, die ihm im Laufe der Jahre begegnet sind: Als er mit seiner Arbeit vor Ort anfing, verloren acht von neun Müttern ihr Kind – Hauptursache waren Durchfallerkrankungen, da es noch keinerlei sanitäre Einrichtungen oder andere hygienische Maßnahmen gab. Auch die Kinder-Sterblichkeitsrate war sehr hoch. So starben bis zum Jahr 2007 immer noch ein Drittel der Babies an verunreinigtem Wasser. Aus diesem Grund startete Dave gemeinsam mit seiner Frau eine Crowdfunding Kampagne und setzte sich für sauberes Trinkwasser ein, indem er die Verunreinigung direkt an der Quelle anging. Weitere Errungenschaften durch einen vierjährigen Kampf mit der lokalen Regierung  war ein Krankenwagen. Dieser ist jetzt, soweit es die Straßen erlauben, im Einsatz und bindet die größere Gemeinschaft an die nächste Klinik an. Seit dem Jahr 2010 gibt es nun auch eine Straße, wenn auch die letzten drei Stunden nach Bulungula aus Schotterpiste und erdigen Wegen bestehen. Die einzige Arbeitsmöglichkeit für die lokale Bevölkerung bis dato bestand darin, für die Minen außerhalb in Südafrika zu arbeiten und Geld nach Hause zu schicken. Andere Jobs gab es in der Gegend nicht. Die einzigen Gelder, die die Menschen in der Gegend erreichen, sind staatliche Sozial- oder Rentenbeiträge. Diese werden in Südafrika einmal im Monat in bar ausgezahlt.

Der Bulungula Incubator schafft nachhaltige Arbeitsplätze in der Region

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Auf dem Gelände des Kindergartens des Bulungula Incubators. ©Noah Felk

Mit dem Bulungula Incubator wollten Dave und seine Frau die Herausforderungen der Menschen in dieser Gegend ganzheitlicher angehen. Der Hauptfokus der Nichtregierungsorganisation umschließt Bildung (mit einer Schule, einem Kindergarten und Trainings), Gesundheit, Ernährung und nachhaltiges Einkommen. Mit dieser Organisation gingen sie über unterschiedliche Projekte die verschiedenen Herausforderungen der Gemeinschaft an. Der Lemonaid & ChariTea Verein unterstützt ein Projekt des Bulungula Incubators, bei dem die lokale Bevölkerung den Zugang, das Wissen und die benötigten Werkzeuge erhält, um eigene Landwirtschaft zu betreiben. Ziel soll es sein, den Bedarf an Essen sowohl für die eigene Versorgung als auch zum Verkauf, selbst anzubauen. Das darüber liegende Ziel ist die Schaffung nachhaltiger Einkommenstrukturen. 93% der umliegenden Bevölkerung ist arbeitslos – davon leben 33% der Haushalte von weniger als 52€ im Monat. Bisher wird das meiste Essen von Port Elisabeth von großen konventionellen Unternehmen „importiert“ – eine lokale Produktion gibt es nicht. Die Gründe hierfür sind lang:

  • Es fehlt an Zugang zu landwirtschaftlichen Mitteln, wie zum Beispiel Samen, Düngemittel oder Arbeitsgeräte.
  • Zudem fehlen geeignete Bewässerungsmöglichkeiten, Mittel für Zäune und für Pflugmethoden.
  • Es mangelt an Wissen über landwirtschaftliche Anbaumethoden und den unternehmerischen Umgang damit.
  • Der Marktzugang, um die landwirtschaftlichen Produkte außerhalb zu verkaufen, ist kostspielig.
  • Es fehlt an Wissen welche Sorten und Samen wirtschaftlich profitabel angebaut werden können.

Mit diesem Projekt soll die lokale Produktion und der lokale Markt stärker etabliert werden. Anstatt das wenige Einkommen an Unternehmen von außerhalb zu geben, soll der interne Markt aufgebaut werden. Diese Strukturen sind vor allem auch geschichtlich durch die Apartheid so gewachsen und einige wenige Unternehmen dominieren den Essensmarkt bis heute. Glücklicherweise ist in der umliegenden Gemeinschaft das Interesse sehr groß, diese Strukturen aufzubrechen und Abhängigkeiten zu großen Unternehmen von außerhalb zu verringern.

Die bisherig geplanten Sorten sind Mais, Kohl, Kartoffeln, Tomaten, Rote Beete und Zwiebeln. Sorten, die vor allem so angebaut werden sollen, dass der Verkaufspreis am Ende den Wettbewerbspreisen stand hält. Zudem gehört Landwirtschaft bisher immer noch nicht zum Standart in dieser Gegend, daher will der Bulungula Incubator ein „Bulungula Centre for Excellent Small- Scale Agriculture“ einrichten. Dort soll ein „tool-kit“ für alle zugänglich gemacht werden, wie und mit welchen Mitteln, Technologien und Samen, kleinbäuerliche Landwirtschaft möglich ist. Außerdem will das Zentrum einen monatlichen Transport zum nächstgelegenen größeren Marktplatz einrichten und Weiterverarbeitungssysteme für die landwirtschaftlichen Produkte bereit stellen.

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Harte Feldarbeit der Gemeinschaft vor Ort. ©Noah Felk

Zu Besuch beim Bulungula Incubator

Als wir vor Ort waren, haben wir zuerst eine Führung von Funke Jaja erhalten. Sie ist aus einem benachbarten Dorf mit dem Namen Port St. Johns und arbeitet inzwischen als Lehrerin für die Bulungula Incubator Schule. Danach schauten wir uns verschiedene Haushalte an und die ersten Testgärten, die für das Projekt angelegt wurden.

Zum Schluss besuchten wir den angedachten Ort für das Zentrum und spürten die Motivation der Menschen vor Ort dieses Projekt jetzt endlich anzufangen. Der Lemonaid & ChariTea Verein unterstützt das Projekt für drei Jahre – wir sind schon gespannt auf unseren nächsten Besuch.

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Besuch bei einem der Testgärten. ©Noah Felk
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Zu Besuch bei dem Zentrum des neuen landwirtschaftlichen Projekts. ©Noah Felk